Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich zu allem Ja sagte – zu Menschen, Erwartungen, Einladungen, Projekten. Ich dachte, das sei Stärke, Liebe, Anpassungsfähigkeit. Doch irgendwann merkte ich: Mit jedem Ja, das nicht wirklich meines war, verlor ich ein kleines Stück von mir selbst.
Ein Nein auszusprechen fühlte sich zunächst egoistisch an. Es kam mir so gut wie nicht über die Lippen. Und jedes mal wenn ich gegen meinen Willen ja sagte, manchmal lächelte ich sogar dabei, wollte ich kotzen. Es hat mir körperlich weh getan. Ich habe lange mit mir gekämpft. Heute weiß ich, dass ein ehrliches Nein oft die reinste Form von Selbstachtung ist – und manchmal sogar ein Akt der Liebe. Ein Nein kann Raum schaffen. Für Wahrheit. Für Frieden. Für dich.
Eine meiner frühsten Kindheitserinnerungen ist, der buchstäbliche Kloss im Hals. Schon sehr früh, hatte ich eine bestimmte Meinung zu Dingen doch auch wenn ich nicht wusste, wie ich sie ausdrücken sollte, machte sie sich doch in meinem Hals bemerkbar. Es hat lange gedauert, diese Blockade zu lösen und es war schmerzhaft aber sowas von befreiend als es dann endlich raus war.
Eine Zeit, die mich sehr ausgelaugt hat war, als ich mich weiterhin mit Freunden traf, die nicht mehr zu mir passten. Obwohl man sich in verschiedene Richtungen entwickelt hat, hielt man aneinander fest und einer der Gründe war, dass man sich ja schon so lange kannte. Und natürlich, man hat weiterhin Liebe für diese Menschen in seinem Herzen und wünscht ihnen nur das allerbeste aber man sollte weitergehen. Dies muss nicht immer im Streit ausarten. Oft gibt es einfach dieses Gefühl, dass mich Treffen mit dieser Person wie eine Wiederholung anfühlen und wir uns nicht mehr wirklich viel zu geben haben.
Auch auf der Arbeit, habe ich oft zu allem ja und Amen gesagt weil ich helfen wollte. Und weil ich Angst hatte vor der Reaktion der anderen, wie sie wohl über mich denken würden, bei diesem Nein. Es gab viel zu tun und hey, warum nicht. Es muss ja schliesslich getan werden und so habe ich mir quasi mein eigenes Burnout gebastelt. Es waren einfach zu viele Dinge auf einmal zu tun und wenn ich versucht habe, eine Dringlichkeit liste zu ersten, hatte ich am Ende sowieso keinen Überblick mehr. Es waren einfach zu viele Dinge auf einmal und für mich waren sie alle gleich dringend.
Heute kann ich darüber nur noch lächeln aber früher hat mir das jede Energie genommen. Und als ich dann irgendwann keine Lust mehr hatte, all diese To-Do’s Tag ein und Tag aus abzuarbeiten und merkte, dass ich so nicht weiterkam, wusste ich nicht, wie ich das zum Ausdruck bringen soll… also wollte ich flüchten. Weg. Einfach weg von hier und dann bin ich das Problem los. Natürlich wusste ich damals noch nicht, dass sich dieses wegrennen nicht nur auf die Arbeit bezieht… ich habe in vielen Bereichen meines Lebens ähnlich reagiert. Erst all in und dann, Oh mann, wie komme ich hier wieder aus?!
Es war nicht leicht aber irgendwann musste ich meinen Mund aufmachen. Es gab zu viele Bereiche in meinem Leben, die eine klare Meinung von mir verlangten. Ich war komplett überfordert. Bis ich irgendwann auch gar keine Kraft mehr hatte, anderen zu gefallen. Es ging nicht mehr. Also fing ich an mich von Dingen zu distanzieren, die mir nichts mehr brachten. In Liebe und stillschweigend mit manchen, lautstark mit den anderen. Es war gut und sowas von an der Zeit – heute habe ich Frieden und das bedeutet nicht, dass es keine Probleme mehr gibt. Sicherlich gibt es sie, das gehört zum Leben dazu aber heute, erkenne ich die Lawine viel früher und kann entsprechend handeln.
Auch bei Familie war das ein Thema. Stillschweigend Dinge weitergemacht nur weil sie schon immer so gemacht worden sind… Irgendwann hat es mir gereicht und ich konnte nicht mehr. Ich bin mir sicher, Du kennst dieses Gefühl auch: nicht mehr zu können aber nicht wissen, wie man in den nächsten Schritt kommt. Es kann seine Zeit dauern und Du musst Geduld haben mit Dir. Verständnis für die anderen, die sich auch erst an das neue Du gewöhnen müssen doch das sollte Dich nicht davon abhalten.
Hier ein paar Schritte, die mir geholfen haben:
- Bewusstheit: Erkennen, wann du eigentlich Nein meinst
- Der erste Schritt ist, überhaupt zu merken, wann dein Körper oder deine Intuition Nein sagen möchte, auch wenn dein Verstand noch Ja sagt.
- Anzeichen dafür:
- Du spürst inneren Widerstand oder Druck.
- Dein Körper zieht sich zusammen.
- Du fühlst dich müde, gereizt oder überfordert nach einem „Ja“.
- Tipp: Achte ein paar Tage lang auf Situationen, in denen du Ja sagst – und frage dich später ehrlich, ob du es wirklich wolltest.
- Erlaube dir, Zeit zu gewinnen
- Du musst nicht sofort antworten.
- Sätze wie:
- „Ich überlege es mir und sage dir Bescheid.“
- „Ich brauche kurz Zeit, um zu schauen, ob das für mich passt.“
- Atme jedes mal erstmal ein und aus bevor Du antwortest
- Das schafft Raum, um deine echte Antwort zu fühlen – nicht die automatische, die aus Pflichtgefühl kommt.
- Kleine Neins üben
Wie ein Muskel braucht auch das Nein Übung.
Fang klein an – z. B. im Alltag:
„Nein, danke, ich möchte keinen Kaffee.“
„Nein, ich kann heute nicht telefonieren.“
So gewöhnst du dich daran, dass du Nein sagen darfst, ohne dich schuldig zu fühlen. Und mit der Zeit wirst Du es lieben!
- Das alte Schuldgefühl anschauen
Viele Menschen (vor allem Frauen) tragen unbewusst den Glaubenssatz:
„Wenn ich Nein sage, bin ich egoistisch, schwierig oder enttäusche andere.“
Doch in Wahrheit ist ein Nein ein Ja zu dir selbst.
Es schützt deine Energie, deinen Frieden und deine Integrität.
Manchmal hilft es, sich zu fragen:
„Was würde ich mir wünschen, dass mein Kind lernt – sich selbst zu verraten oder Grenzen zu setzen?“
- Dein inneres Ja stärken
- Je klarer du weißt, wofür du ein echtes Ja hast, desto leichter fällt das Nein.
- Wenn du deine Werte, Bedürfnisse und Prioritäten kennst, spürst du schneller, was nicht passt.
- Das Nein wird dann nicht hart – sondern selbstverständlich.
- Grenzen liebevoll, aber klar ausdrücken
- Ein Nein kann ruhig, freundlich und bestimmt sein:
- „Danke, dass du an mich gedacht hast, aber das passt für mich gerade nicht.“
- „Ich schaffe das im Moment nicht.“
- „Ich möchte das diesmal auslassen.“
- Du musst dich nicht rechtfertigen – ein Nein ist ein vollständiger Satz.
- Nach dem Nein: Aushalten lernen
- Manchmal reagiert das Umfeld überrascht, enttäuscht oder sogar gekränkt.
- Das ist normal – besonders, wenn du bisher oft Ja gesagt hast.
- Aber: Mit jedem Nein entsteht mehr Respekt, Klarheit und echte Nähe in deinen Beziehungen.
- Selbstfürsorge danach
- Manchmal fühlt sich ein Nein zunächst unangenehm an – aber das ist kein Zeichen, dass es falsch war.
- Tu danach etwas Gutes für dich:
- Atme tief, geh spazieren, schreib dir auf, wie sich das Nein langfristig anfühlt.
- Du wirst merken: Es bringt Ruhe und Erleichterung.
Das Nein-Sagen ist kein Akt der Abwehr – es ist ein Akt der Selbstachtung.
Jedes Mal, wenn du mutig deine Grenze setzt, sagst du Ja zu deinem inneren Frieden, deiner Energie und deinem wahren Selbst.
Wenn du spürst, dass du lernen möchtest, öfter auf dich selbst zu hören,
dann bleib gern hier auf meinem Blog — in den nächsten Tagen teile ich eine kleine „Nein-Sagen-Übungsreihe“, die dir hilft, Schritt für Schritt dein inneres Ja zu stärken und liebevoll Grenzen zu setzen.